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Stille Zeugen sind nicht zu unterschätzen

„Kommissar Anders, so glauben Sie mir doch. Naomi muss etwas passiert sein. Sie kann nicht einfach abgehauen sein. Sehen Sie sich doch ihr Lieblingsbild der Katze in Blau an. Sie kaufte das Wachsbild bei der Künstlerin, weil es sie so sehr an ihre frühere Katze erinnte. Sie ließ es extra rahmen, und nun ist die Leinwand zerfetzt, der Rahmen angebrochen und alles hängt schief. So etwas würde Naomi nie machen.“

„Hier hat offensichtlich ein Kampf stattgefunden Ihre Freundin wird vermisst. Wir suchen sie mit alle Mitteln. Bitte sagen Sie uns, was Sie wissen. Um mit der Suche nahe am Verschwinden anzusetzen, benötigen wir die Hinweise von Freunden und Familie. Die Spurensicherung ergänzt dann mit dem, was sie hier findet.“

Marla König nickte. Das skeptische Gesicht des Kommissars brachte sie zur Weißglut. Er musste ihr doch glauben.

„Naomi ist ein Schatz und bei allen beliebt. Sie und Paul waren glücklich verlobt - bis letzte Woche. Da gab es einen Riesenstreit und sie löste die Verlobung.. Sie weigerte sich darüber zu reden, wurde aber wütend, sobald man nur seinen Namen nannte  Paul Sandman, vielleicht sollten Sie ihn fragen. Nur er kann etwas mit ihrem Verschwinden zu tun haben.“

Außer Pauls Adresse, Einiges über seine Eskapaden und viel über Naomis perfektes Leben, erfuhr der Kommissar nichts von ihr. Gar nichts, was ihn weiterbrachte.

Sandmann war weder zu Hause noch in der Arbeit aufzufinden. Seine Kollegen und Eltern versicherten aber alle, dass sie sich sorgten, da er noch nie ohne vorherigen Anruf seiner Arbeit ferngeblieben war. Kommissar Anders bat deshalb die Eltern um die Wohnungsschlüssel ihres Sohnes. In seiner Wohnung herrschten penible Ordnung und Sauberkeit. Hier gab es keinen Anlass, die Spurensicherung einzuschalten.

Selbst die Spuren in Naomi Bergers Wohnung gaben nur wenig Aufschluss, was passiert war. Sandmanns Spuren waren überall, was bei Verlobten zu erwarten war. Vielleicht war diese Marla nur aufgedreht und die beiden versöhnten sich auf einer Reise? Das einzig Seltsame waren ausgerissene Haarbüschel der Vermissten, teilweise mit Blut, an den Risskanten ihres Lieblingsbildes.  Wie kamen die in diese Höhe und an das Bild? Anders war neugierig. Trotzdem wollte er beinahe die Ermittlung einstellen, denn die Fahndungen lieferten kein Ergebnis Es blieb nur die Auswertung der Computer- und Bankdaten, gut dass Naomi Berger nichts vom Schutz ihrer Daten hielt und die fahnder auf alles zugreifen konnten. Sandmann war vorsichtger. Außerdem gab es bei ihm keinen Anlass, gechützte Daten anzugreifen.    

Die Ermittlungsflaute änderte sich nach drei Tagen schlagartig. In einer aufgelassenen Kiesgrube am Stadtrand wurde Sandmanns demolierter Wagen entdeckt. Die nähere Untersuchung brachte seine erstochene Leiche im Kofferraum zutage. Jetzt war es ein Mordfall, aber von Naomi Berger weiterhin keine Spur. Hatte sein Mord etwas mit ihrem Verschwinden zu tun? Die Spuren am Wagen wiesen wieder auf sie hin. Auch hier waren blutige Haarbüschel am Handschuhfach. Das ließ den Verdacht einer gewaltsamen Entführung aufkommen. Hatte Sandmann seine Verlobte entführt? Genauere Untersuchungen zeigten jedoch, dass in den Haaren Wachs war.

Die Vorarbeiten brachten schnell Ergebnisse über Sandmanns letzte Tage. Er hatte kurz vor seinem Tod Diamanten für eine halbe Million gekauft. Die waren verschwunden. Nun wurde auch seine Wohnung spurentechnisch untersucht. Damit wandelte sich das Bild.

Am Eingabefeld des leeren Tresors war ein kleiner klebriger Fleck. Das Massenspektrometer zeigte, dass es sich um das gleiche Wachs handelte , wie in Naomi Bergers Lieblingsbild. Hatte der Täter es nach der Verwüstung ihrer Wohnung mitgebracht? Da Wachs gut an der Haut haftet, konnte auch unbekannte DNA gefunden werden. Diese war an vielen Stellen in Bergers Wohnung, in Sandmanns Räumen dagegen sonst nirgends.     

Das änderte die Verdachtsmomente total. Kommissar Anders eilte zu Marla Königs Wohnung. Dort stand die Tür offen und die Möbelpacker brachten die letzten Stücke zum Wagen, um alles in ein Selfstorage-Lager zu transportieren en. Die Spurensicherung begleitete sie. So konnte bald die unbekannte DNA zugeordnet werden. Außerdem konnten sie rekonstruieren, dass Naomi das Bild der Katze in Blau so oft auf den Kopf geschlagen wurde, bis die Leinwand riss und, dass Haarbüschel von dort im Auto plaziert wurden. Marla hatte vergeblich versucht, den Verdacht auf Sandmann zu lenken. Der Rest blieb noch unklar .

Kommissar Anders gab jedoch nicht auf. Er suchte weiterhin Naomis Leiche und schaltete Interpol ein, denn Marlas Spur führte nach Riad und Saudi Arabien würde nie ausliefern. Seine Hartnäckigkeit wurde jedoch nach einem Vierteljahr belohnt. Marla flog zu einem Einkaufstrip nach Doha. Dort verwendete sie eine von Naomis mit ihr verschwundenen Kreditkarten. Sie wurde entdeckt. Doch sie war nicht allein.

Ein halbes Jahr später begann die Verhandlung wegen gemeinsamen Mord und Raub gegen Marla König und Naomi Berger. Die Indizien genügten, auch wenn beide Frauen schwiegen.                                                                                                                                                                      ©Anna Banfhile